Hallo ihr Lieben
Häufig bekomme ich von Einsteigern ein und die selben Fragen gestellt, weil sie manchmal auch den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen oder stundenlang mit Nachlesen beschäftigt wären. Auch ich, obwohl ich die Tiere sehr liebe, hätte nicht die Muse, mir 101 Pages durchzulesen, wenn häufig ja doch nur das gleiche geschrieben steht und meist nie das, was man gerade wissen möchte.
Ich hab mir gedacht, ich fasse mal für unsere Neulinge vier der leicht zu
haltensten Stabschreckenarten zusammen und hoffe, dass nach Lesen dieser Zeilen
keine Fragen mehr offen bleiben.
Wenn doch ... mailen!!!
Untenstehend nun die Arten, die ich beschrieben habe.
Medauroidea extradentata, Ramulus
artemis, Carausius morosus und Sipyloidea sipylus
Damit ihr Euch unter den Tieren auch was vorstellen könnt, hier noch ein paar
Fotos von jeder Art.
Zuerst Medauroidea extradentata. Sie pflanzen sich pathenogenetisch und auch
sexuell fort.
Des weiteren wären da noch Ramulus artemis (Rein pathenogenetisch).
Sipyloidea sipylus (In Zucht nur parthenogenetisch) besitzt als
einzige Art einen Abwehrduft, der sehr stark nach Marienkäfer richt, und
bekommt mit der Adulthäutung Flügel.
Und Carausius morosus (Ebenfalls parthenogenetische Fortpflanzung).
Die Tiere auf den folgenden Bildern sind alles Medauroidea extradentata.
Haltung/Pflege:
Die vier oben genannten Arten, können bei Zimmertemperatur (20-25°C) gehalten
und auch vergesellschaftet werden. Gefüttert wird mit Brombeer-, Himbeer-,
Buchen-, Eichen- oder Haselnusszweige. Die frischen Zweige werden kräftig
abgebraust (Um ungebetene Gäste, wie Spinnen usw. zu entfernen), frisch
angeschnitten und in einer (wassergefüllten) Vase ins Terrarium gestellt.
Auswechseln sollte man die Blätter spätestens, wenn sie abgefressen sind oder
welk werden. Einmal Abends sollten die Blätter übersprüht werden, damit die
Tiere trinken und die nötige Luftfeuchte erreicht wird. Schneidet man die
Zweige einmal in der Woche neu an und wechselt dabei das Wasser, so können gerade
Brombeeren bis zu drei Wochen halten.
Die Größe des Terrariums (Hochterrarium) sollte sich nach Größe und Anzahl
der Tiere richten. Die Faustregel besagt das Behältnis immer zweimal so breit
und dreimal so hoch sein soll, wie das ausgewachsene Tier lang wird. Für die
obengenannten Arten würde ich folgendes Vorschlagen:
Für Medauroidea, Ramulus und Sipyloidea (Die Arten werden so 10 - 12cm groß)
- bis sechs Tiere reicht ein 40x30x30 cm Becken
- ab sechs bis zwölf Tiere besser
ein 60x35x35 cm Becken.
Für Carausius (Wird so 8-10cm lang)
- bis zehn Tiere reicht ein 40er Becken
- ab zehn bis fünfzehn ist ein 60er Becken
besser.
Die Einrichtung des Terrariums besteht normalerweise nur aus den Futterzweigen
und Küchenpapier, welches man auf dem Boden ausgelegt hat. Wer möchte kann es
natürlich noch reichhaltiger einrichten, mit Rinden, getrockneten Zweigen usw.
Verzichten sollte man aber auf echte oder künstliche Zierpflanzen, da beides
manchmal angefressen wird und den Tieren sicherlich nicht bekommt, gerade wenn
eine Pflanze giftig ist. Eine zusätzliche Beleuchtung ist bei hellem Standort
des Terras nicht notwendig, kann jedoch in kühleren Räumen die nötige Wärme
bringen. Auf Heizlampen oder –kabel, sollte man ebenfalls verzichten, da
sie die Luftfeuchte herabsetzen.
Handling:
Wie fasse ich so ein Tier am besten an? Jungtiere, nimmt man am sichersten
vorsichtig am Hinterleib. Subadulte und adulte Tiere kann man zwischen dem
ersten und zweiten Beinpaar hochheben oder ebenfalls am Hinterleib anfassen. Niemals ein
Tier an den Beinen festhalten, weil sie dieses mit ziemlicher Sicherheit dann
abwerfen, um dem Zugriff zu entkommen. Sollte ein Bein einmal abgeworfen werden
und das Tier noch nicht erwachsen sein, wird es sicherlich innerhalb zweier Häutungen
wieder nachgewachsen sein. Nach der ersten Häutung bildet sich zuerst eine
aufgerollte Extremitätenknospe, welche nach der zweiten Häutung durch ein
vollständiges aber kleineres Bein ersetzt wird. Findet der Beinverlust vor einer
Häutung statt, bleibt es meist dabei und es wird kein neues nachgebildet. Warum weiß
ich nicht denke aber dass die Anlagen für ein „Ersatzbein“ vor dem
Häuten mit gebildet werden und wenn das Bein verloren geht, gehen auch die
Anlagen dazu verloren und das Beinchen fehlt dauerhaft.
Paarung und Eiablage:
Mit der Adulthäutung wird nicht automatisch auch die Geschlechtsreife erreicht.
Diese setzt erst zehn bis vierzehn Tage später ein. Im Körper des Weibchens
werden dann Eier gebildet. Dies wird durch das meist deutlich sichtbare
Anschwellen des Abdomens (Hinterleib) angezeigt. In dieser Phase paaren sich die
Tiere das erste mal und befruchten damit die Eier oder sie beginnen bei
parthenogenetischer Fortpflanzung gleich mit der Eiablage. Die Tiere der oben
genannten Arten leben jetzt noch etwa vier bis sechs Monate. Zweigeschlechtliche
Arten paaren sich in dieser Zeitspanne fast täglich. Bei der Paarung übergibt
das Männchen ein Samenpaket, Spermatophore genannt, an das Weibchen. Dieses
befruchtet damit die Eier und lässt sie dann zu Boden fallen.
Auf Bild 1 kann man gut erkennen, wie sich das Männchen bei der Paarung am
Weibchen festhält. Aus diesem Paarungsversuch wurde allerdings nichts, denn das
Männchen hatte sich viel zu weit vom Abdomenende entfernt angeheftet.
Bild 2 zeigt eine Paarung in der Draufsicht. Das bläuliche am Abdomenende des Männchens
ist das Begattungsorgan besser sichtbar in Bild 2a.
Der weiße Punkt am Hinterleib des Weibchens ist die Spermatophore, in der die
Samen des Männchen gut geschützt sind.
Etwa eine Woche nach der ersten Befruchtung erfolgt die erste Eiablage. M.
extradentata, Ramulus artemis und C. morosus lässt seine Eier einfach zu Boden
fallen. Damit wird es zumindest dem Halter leicht gemacht, beim wöchentlichen
Reinigen die Eier abzusammeln. S. sipylus hingegen klebt ihre Eier in sämtliche
Ritzen und Spalten und macht es dem Halter gar nicht einfach die leicht
zerbrechlichen Eier abzusammeln. Doch mit etwas Übung gelingt auch das. Ein
Tipp den ich hier gerne mit aufnehme ist ein Frotteetuch ins Terrarium zu hängen,
da es von den Sipyloideas gerne als Eiablageplatz angenommen wird und der Halter
bessere Kontrolle über die Zucht hat.
Die Eier von Medauroidea werden etwa 1 1/2mm bis 2mm groß. Auf dem rechten Bild
sind, genauestens abgezählt, 128 Eier zu sehen. Und das entspricht in etwa der
Menge die zwei befruchtete M. extradentata Weibchen in einer Woche legen können.
Die anderen drei Arten stehen dem allerdings in nichts nach, was ihnen auch den
Beinamen „Pestarten“ eingebracht hat. Denn die Vermehrung geht
schnell und reichlich.
Die Eier der anderen Arten:
Ramulus artemis (3-4mm):
Sipyloidea sipylus(3-4mm):
Carausius morosus(2mm):
Ein kleiner Tipp: Auch wenn es sehr schön aussieht den Terrarienboden mit Sand
zu bedecken, es ist eine wahre Sisyphus Arbeit ihn aus dem Terra zu entfernen
und durchzusieben. Wenn man nämlich mehrere Terrarien zu reinigen hat, hält
diese Prozedur sehr auf. Einfaches Küchenpapier schafft hier sehr schnell
Abhilfe. Zum einen kann man es schön befeuchten (gut für Feuchtigkeit) und zum
anderen kann man so die Hinterlassenschaften, samt den Eiern wesentlich
schneller herausnehmen. Für den Rest, der daneben geht, verwende ich
mittlerweile ein Tischkehrset. (Findet man häufig auf Flohmärkten oder Omi hat
noch eins rumliegen.) Das Set ist sehr handlich und die weichen Borsten können
liegengebliebenen Eiern nichts anhaben.
Für den Größenvergleich: Die Schaufel ist ca. 12cm breit und die Bürste etwa
10cm.
Sieht Skurril aus aber ich gäbe dieses Teil für 1000 Euro nicht mehr her!
Inkubation der Eier:
Wenn man die Eier abgesammelt hat, pflegt bzw. inkubiert man sie am besten auf Küchenpapier
in Heimchendosen. Diese haben nämlich den Vorteil, dass sie durch eine
Perforation auf zwei Seiten belüftet sind. Wenn man dann noch dafür sorgt,
dass die Eier zeitweise leicht befeuchtet und bei Zimmertemperatur gehalten
werden, steht einem erfolgreichen Schlupf eigentlich nichts mehr im Wege.
Sollten braune Flecken oder sogar Schimmel auftreten, muss das Papier gewechselt
und die Eier trockener gehalten werden.
Wachstum/Aufzucht der Jungtiere:
Da Phasmiden nicht, wie viele Insekten, verschiedene Entwicklungsstadien
durchlaufen (Ei, Larve, Puppe, fertiges Insekt, man nennt diesen Vorgang auch
Metamorphose), sondern durch Häutung "wachsen", werden die Jungtiere
üblicherweise als Nymphen und nicht als Larven bezeichnet. Dennoch spricht man
bei der "Altersangabe" von Jungtieren von Larvenstadien. L1 = frisch
geschlüpftes Tier, L2 = nach erster Häutung, L3 = nach zweiter Häutung, usw.
In allen Nachschlagewerken und auf allen Internetseiten, die ich bislang besucht
habe steht, das die Embryonalentwicklung, also die Zeit von der Eiablage bis zum
Schlupf, bei M. Extradentata in etwa 3 -5 Monate dauert. Bei mir dauerte es vom
30.04.04 (Erste Eiablage) bis exakt zum 21.06.04 (Erster Schlupf). Und das sind
nicht mal zwei Monate. Bei den anderen drei Arten ist die Inkubationsdauer in
etwa genauso lange.
Die Jungtiere müssen nicht sonderlich anders behandelt werden, wie die adulten
Tiere auch. Dennoch sollte man darauf achten, dass sie jeden Abend befeuchtet
werden, denn sie häuten sich häufig in den frühen Morgenstunden und für die
Häutung brauchen sie nicht nur Platz, sondern auch Feuchtigkeit. Regelmäßiges
besprühen ist also unabdingbar.
Kleine Nymphen krabbeln gerne in Ritzen und in verwelkte Blätter, um sich zu
verstecken. Aus diesem Grund muss man beim wechseln der Zweige genau
nachschauen, dass nicht ein Tier übersehen wird. Darüber hinaus sollte man die Öffnung der Vase oder
des Wasserbehälters für die Zweige, stets mit etwas Watte abdichten, damit kein Tier versehentlich ertrinkt.
Wenn die Jungtiere sich häuten, dann hängen sie kopfüber an einem Zweig und
rutschen sozusagen aus ihrer alten Haut. Es ist sehr interessant das zu
beobachten und es sieht auch sehr abenteuerlich aus, gerade wenn sie nur noch
mit einem kleinen Teil vom Hinterleib in der alten Haut hängen. Mancher
Beobachter fühlt sich versucht einzugreifen, weil er fürchtet das Tier könnte
abstürzen aber ich versichere, es passiert nichts. Die Natur weiß da schon was
sie macht und das Tier dreht sich nach einer kleinen Verschnaufpause, so eine Häutung
ist schließlich sehr anstrengend, herum und zieht den letzten Rest Hinterleib
aus der Haut.
Auf KEINEN Fall eingreifen, denn damit stört man immens bei der Häutung und
das kann den Verlust von Beinen oder schlimmer noch den Tod des Tieres nach sich
ziehen. Das frisch gehäutete Tier bleibt noch eine Weile zum Trocknen am Zweig
oder auf der alten Haut sitzen und verzehrt dann die Haut, um den
Mineralstoffverlust, den es durch die Häutung bzw. das Wachstum hatte, wieder
auszugleichen. Manche Schrecken krabbeln auch einfach weiter und belassen die
Haut am Zweig, ohne sie zu fressen. Wer dann möchte, kann sie sich abhängen
und in Pose gelegt trocknen. Es sieht sehr interessant aus, doch bitte dem Tier
die Haut nicht wegnehmen.
Sollte es einmal vorkommen, dass sich ein Tier gerade dann zu Häuten beginnt,
wenn man das Terrarium sauber machen möchte. Sollte man das Ende der Häutung
abwarten und dann das Tier vorsichtig zum Umsetzen auf die Hand krabbeln lassen.
Bitte das Tier nicht in die Hand nehmen, denn auch das kann mit Beinverlusten
oder Missbildungen einhergehen.
Normalerweise häuten sich die Tiere, je nach Geschlecht und Art, fünf bis
sieben mal. Männchen häuten sich in der Regel zweimal weniger als die
Weibchen.
Fremdworte, die häufiger fallen:
Adult = erwachsen
Imago/Imagines = Geschlechtsreifes Tier/Tiere
Subadult = eine Häutung vor dem Erwachsensein
Parthenogenetisch = Fortpflanzung ohne Männchen, indem das Weibchen
unbefruchtete Eier legt aus denen wiederum nur Weibchen schlüpfen. Viele
Phasmiden sind dazu in der Lage.
Exkuvie = abgestreifte Haut nach einer Häutung
Thorax = Brustbereich
Abdomen = Hinterleib
Tibien = Unterschenkel
Tarsen = Fuß
Elytren = Flügeldecken
Nun, ich denke das war's. Ich wünsche Euch viel Spaß mit Euren Tieren und viel
Erfolg bei der Aufzucht.